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Ihr Haufen Degenerierter!
Über die Ausstellung „Entartete“ Kunst Der Prozess gegen die moderne Kunst im Nationalsozialismus im Picasso-Museum bis 25. Mai
Große Ausstellungen gab es 1991 im Los Angeles County Museum of Art und 2014 in der Neuen Galerie in New York. Doch noch nie waren in Frankreich so viele vom Nazi-Regime verhasste Werke versammelt. Beginnend mit denen, die 1937 im Archäologischen Institut in München unter dem Namen „Entartete Kunst“ ausgestellt wurden. Die Ausstellung war zunächst sogar auf Wanderschaft und reiste nach Deutschland und Österreich. Das Picasso-Museum füllt heute diese Lücke, indem es 57 Werke präsentiert, darunter etwa dreißig, die in der finsteren Nazi-Ausstellung zu sehen waren. Eine elegante und nützliche Möglichkeit, das Thema zu erweitern, indem man sich nicht ausschließlich auf den brillanten spanischen Maler konzentriert. Dessen Werk wird so in einen Kontext gestellt und zugleich der Hass auf die Avantgarden des Hitler-Regimes gebannt. Und es war in der Tat eine öffentliche Bewährungsprobe für die künstlerische Moderne, dass diese repressive Aktion das Projekt vorangetrieben hatte. Auf der Anklagebank standen Dadaismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit, Bauhaus und Abstraktion. Mit diesen Bewegungen verbundene Künstler galten als „biologisch krank“, sonst wären sie nicht auf die Idee gekommen, ihre Produktionen als Kunst zu bezeichnen. Etwa 102 Schöpfer wurden an den Pranger gestellt, darunter Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Otto Müller und Emil Nolde. Dafür haben wir uns die Mühe gemacht, nicht weniger als 730 Werke von den Wänden in rund vierzig Museen in ganz Deutschland zu entfernen. Die Öffentlichkeit erschien in großer Zahl, um sie zu verspotten. Es gab mehr als 2 Millionen Besucher. Goebbels war der Urheber dieser Initiative, die darauf abzielte, das Negativ der neoklassischen und figurativen Kunst als Vorbild für das Haus der Deutschen Kunst zu gestalten. Für Hitler musste man verrückt sein, um solche Werke zu schaffen. Diese mit dem Judäo-Bolschewismus verbundene Kunst konnte nicht deutsch sein. Der Führer, der davon träumte, Künstler zu werden, hatte die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Wien zweimal nicht bestanden. Er nährte das Projekt der Rache, indem er sein Land vom Virus der modernen Kunst befreite und in seiner Heimatstadt Linz ein Museum gründete, das Werke des kleinbürgerlichen Klassizismus nach seinem eigenen Geschmack versammelte, die er mit allen teilen wollte, angefangen mit den Mitgliedern seines Generalstabs. Für Göring, der als großer Liebhaber des Expressionismus 1939 so viele Werke wie möglich rettete, war dies eine vergebliche Mühe. Denn fast 20.000 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen wurden damals aus Museen entnommen, die vor dem Aufkommen des Nazi-Regimes dazu inspiriert worden waren, sie zu erwerben. Diese Werke wurden unter der Leitung von Goebbels verbrannt oder verkauft, um an Devisen zu kommen oder an ihrer Stelle Gemälde von Meistern der Vergangenheit zu kaufen, die der Zensur des Reiches unterlagen. Künstler der Schande wurden als Dissidenten oder Juden verfolgt wie Oskar Kokoschka, ermordet wie Felix Nussbaum, eingeschläfert wie Elfriede Lohse-Wächtler, abgesetzt wie Willi Baumeister oder in den Selbstmord getrieben wie Ernst Ludwig Kirchner. Das Picasso-Museum profitiert von Leihgaben aus 32 deutschen, österreichischen und schweizerischen Sammlungen und präsentiert einige der gestohlenen Werke neben Gemälden jüdischer Maler wie Jankel Adler, Marc Chagall, Hanns Katz und Ludwig Meidner. Damit entsteht eine möglichst vollständige Darstellung der deutschen Kunst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. So wie es die Eiferer des NS-Regimes letztendlich gegen ihren Willen taten.
Illustration Metropolis von George Grosz (1916=1917)
Auf der Bühne, bildende Kunst!
Die Suche nach zusätzlichen neuen Ausstellungsräumen und damit einem neuen Publikum für die bildende Kunst war an sich schon ein lobenswertes Projekt. Die Auswahl nationaler Bühnen als Schauplätze ist eine kluge Idee, die auch letzteren zugutekommt, weil sie von der Originalanimation profitieren. Ganz zu schweigen von den Interaktionsmöglichkeiten, die diese Annäherung zwischen darstellender und bildender Kunst eröffnen kann. Das ist der Sinn des CURA-Programms, einer Idee, die in der Generaldirektion für künstlerisches Schaffen (DGCA) des Kulturministeriums entstand und deren Umsetzung dem Nationalen Zentrum für Bildende Künste (Cnap) in Zusammenarbeit mit der Association of National Scenes (ASN) anvertraut wurde. Diese willkommene Initiative profitierte auch von der Hilfe von C-E-A, dem französischen Verband der Ausstellungskuratoren und natürlich den Regionaldirektionen für kulturelle Angelegenheiten (Drac). Die Teilnahme an dieser landesweiten Aktion basiert selbstverständlich auf ehrenamtlicher Tätigkeit. Aus den zwanzig Bewerbungen wurden zwölf Szenen ausgewählt. Sie decken Frankreich und Martinique ab. Die Schlüsselrolle des Projekts kommt den Ausstellungskuratoren zu, die sich einzeln oder im Team bewerben können. Es liegt an ihnen, über eine Showsaison hinweg, die zwischen zwei und vier Ausstellungen umfasst, ein bildendes Kunstprogramm anzubieten. Es liegt auch an ihnen, eine Auswahl von drei der zwölf ausgewählten Szenen vorzuschlagen. Die aus den dreißig Bewerbungen ausgewählten zwölf Gewinner erhielten jeweils einen Zuschuss von 100.000 Euro für die Durchführung der geplanten Ausstellungen. Bei ihrer Ankunft verändert die Ausstellung zeitgenössischer Kunstwerke oder Happenings auf nationalen Bühnen ihre Wahrnehmung im Verhältnis zum üblichen White-Cube-Rahmen. Hier brechen wir mit der Tradition des introvertierten Schweigens der Museums- und Galeriebesucher. Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Videos, Skulpturen und Installationen werden an belebten Orten ausgestellt und sind enger in das Leben in Theatern und Konzertsälen integriert. Im Gegenzug finden die Szenen in den Werken, die sie zeigen, einen Anreiz, der sie wie ein Anreiz dazu ermutigt, ihre Gewohnheiten zu ändern. Die gelegentliche Anwesenheit bildender Künstler kann auch eine aus der Welt der Bühne übernommene Praxis der direkten Begegnung mit dem Publikum in ihre Bräuche einbringen. Werden die positiven Auswirkungen der CURA-Initiative auch dann anhalten, wenn sie nicht erneuert wird? Werden wir Zeuge der Umwandlung nationaler Szenen in multidisziplinäre künstlerische Orte? Zu haben. CURA hat jedenfalls die Türen weit geöffnet.
Abbildungen:
Dreamachines vom Kollektiv Sin – Scène nationale LUX In Valence – Kurator: Jos Auzende
Es klebt auf der Haut von Carla Adra – Scènes nationaux Les Quinconces + L'Espal in Le Mans – Kurator: Raphaêl Brunel
Sei gut, ich liebe dich von Caroline Delieutraz – Théâtre Jean Lurçat in Aubusson Kuratorin: Dominique Moulon und Anne-Sophie Boulan