
Für Sie entdeckt in WISSEN DER KÜNSTE

Bilder der Apokalypse
anlässlich der großen Ausstellung Apocalypse Yesterday and Tomorrow in der Bibliothèque nationale de France (vom 4. Februar bis 8. Juni)
Das aus dem Griechischen stammende Wort „Apokalypse“ trat in jüdischen und christlichen Kulturen schon sehr früh in der Bedeutung „Enthüllung“, „Offenbarung“ in den Hintergrund und wurde zum Synonym für „Vernichtung“, „Erneuerung“. Die apokalyptischen Geschichten folgen somit denen der Zerstörung des Tempels von Jerusalem und der Verbannung in Babylon. Ihre kanonische Form finden sie in den sieben Visionen der Apokalypse des Johannes. Diese „Tableaus“, gekreuzt mit denen der Apokalypse nach Matthäus und anderen apokryphen Apokalypsen, die nicht von der Kirche übernommen wurden, führen zu einer in der christlichen Welt weit verbreiteten Vision des Jüngsten Gerichts und der Hölle. So entstand gegen Ende des 4. und Anfang des 5. Jahrhunderts eine apokalyptische Kunst. In römischen Mosaiken werden Motive auf symbolische Figuren reduziert. Aber mittelalterliche Miniaturisten zögerten nicht, alle Beschreibungen des Johannes zu illustrieren. Von den vier Lebewesen, Mensch, Löwe, Stier, Adler, bis zu den vier Reitern, einschließlich der Engel, die ihre Posaunen ertönen lassen, und dem Schwert, das aus dem Mund Christi kommt. Aus Spanien und der Illustration der Apokalypse durch den Mönch Beatus von Liebana verbreiteten sich die eindrucksvollsten Bilder dieser Zeit. Mit orientalischen Quellen gekreuzt, bildet es den Ursprung der Illustrationen des Tympanons der Abtei Saint-Pierre de Moissac. Zu dieser Gründungstradition gehört auch der Beatus der Gascogne-Abtei Saint-Sever. Seit dieser Zeit werden göttliche Engel mit Vogelflügeln dargestellt. Während seine Engel sie nicht haben und nackt dargestellt werden, wird Satan als eine Figur mit einem abscheulichen Gesicht, dunkler Haut und unverhältnismäßig großen Händen und Füßen dargestellt. Hier finden wir die im Ägypten der Pharaonen weit verbreitete Darstellung des Erbfeindes aus dem Süden. Und wenn der Fürst der Finsternis in der mittelalterlichen Ikonographie Flügel trägt, dann sind es Fledermausflügel mit behaarten Gliedmaßen, Hörnern oder spitzen Ohren. Außerdem gibt es keine Hölle ohne Flammen. Auch wenn es im christlichen Mittelalter zahlreiche Bilder von verschiedenen Feuerfolterungen gibt, hatte dieses bei weitem kein Monopol darauf. Mehrere Begriffe im Koran, die die Hölle bezeichnen, sind daher Synonyme für Feuer. Und auch in den einundzwanzig Hindu-Höllen und in acht der sechzehn Höllen der Kosmologie des tibetischen Buddhismus findet man Folter durch Flammen. Mittelalterliche Buchmaler machten auch die Figur des Leviathan populär, dessen glühender Mund das Tor zur Hölle darstellt. Es wird im Jüngsten Gericht von Lucas de Leiden dargestellt und erscheint auch in den mythischen Vier Reitern der Apokalypse von Dürer. Die Raffinesse der Folter geht in Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“ noch einen Schritt weiter. So dürftig sie uns heute auch vorkommen mögen, in einer Zeit, die von Tod, Krieg, Pest und Hungersnot besessen war, wirkten mittelalterliche dämonische Figuren doch beängstigend. Nach einer zweihundertjährigen Verfinsterung im Zeitalter der Aufklärung taucht die Figur des Dämons in all ihrer Bestialität und düsteren Romantik wieder auf. Aber er ist ein Satan, der umso beunruhigender ist, als er mit den Flügeln und Klauen, die Delacroix gemalt hat, um Goethes Faust zu illustrieren, fast ein Mensch ist. Der Teufel wird nicht länger den Mittelpunkt verlassen. Als flügelloses Tier mit dem Blick eines Mannes in Füssli wird er zum Tänzer, der in Jean Delvilles Treasures of Satan auf einem Gewirr nackter Körper der Verdammten reitet. Somit ist die Tür offen für alle Darstellungen des schmutzigen Biests, die die Horrorfilme unserer Moderne bieten werden. Das Thema Krieg wird oft mit der satanischen Figur verschmolzen. Vom Krieg des Zollbeamten Rousseau, der als Reiter der Apokalypse auftritt, bis zu den fotografischen Bildern von Auschwitz, Hiroshima oder Tschernobyl. Die Apokalypse ist keine Fiktion religiösen Wesens mehr, die durch ihre Darstellung zum Leben erweckt wird, sie ist zu einer atheistischen Realität geworden, von der die Kunst nur noch Zeugnis ablegen muss.
Illustration: Garten der Lüste von Hieronymus Bosch (1490-1510)
Dämonisierte Bilder
anlässlich der Erinnerungsarbeit des Musée national Picasso-Paris an die 1937 in München veranstaltete Ausstellung „Entartete Kunst: Der Prozess gegen die moderne Kunst im Nationalsozialismus“ (ab 18. Februar)
Die in der Hölle brennenden Körper finden ein fast ebenso unheimliches Echo in der Verbrennung moderner Kunstwerke, die das Nazi-Regime 1936 als entartet erachtete. Als frustrierter Maler hasste Hitler die Avantgarde, die seine Ideologen zu erreichen versuchten Geisteskrankheit. Dabei konnten sie sich auf das Werk „Degeneration“ von Max Nordau aus dem Jahr 1892 sowie auf „Kunst und Rasse“ von Paul Schultze-Naumburg und „Die Sanierung des Tempels der Kunst“ von Wolfgang Willrich aus dem Jahr 1937 stützen bei einer Definition reiner deutscher Kunst. Beispiele, denen man nicht folgen sollte, waren Van Goghs „Arlesienne“ und Picassos „Frau, die sich die Füße abwischt“. Das Ergebnis dieser Verbannung ist beeindruckend: Nicht weniger als tausendvierhundert Künstler wurden zwischen 1933 und 1945 beleidigt, rachsüchtig behandelt, aus Lehraufträgen entlassen, mit Ausstellungsverboten belegt, körperlich bedroht oder ins Exil gezwungen Werke wurden abgenommen, beschlagnahmt, zerstört oder verleumderischen Ausstellungen unterzogen, die als „Ausstellungen der Schande“ bekannt sind und deren schlimmstes Beispiel sind Berühmt bleibt „Entartete Kunst“. Von diesem Gemetzel sind auf wundersame Weise einige Dutzend Gemälde von Künstlern des Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubismus, Fauvismus und einfach der Moderne erhalten geblieben, von denen heute rund dreißig im Musée national Picasso-Paris zusammengestellt sind. Doch vielen Gemälden ging es nicht so gut, was katastrophale Folgen hatte, wie etwa der Selbstmord des Malers Ernst Ludwig Kirschner im Jahr 1938, Mitbegründer der Gruppe „Brücke“, die fast tausend Gemälde an deutsche Museen gespendet hatte. Natürlich waren es jüdische Künstler wie Marc Chagall, Hans Ludwig Katz, Jankel Adler, Ludwig Meiner und Otto Freundlich, die die schlimmsten Angriffe erlitten, letzterer wurde in Sodibor deportiert und ermordet. Mit ihrer Kunst ihrer Zeit voraus, bereiteten die von der nationalsozialistischen Macht verfolgten Maler damit leider auch den Weg zum Massaker an einem Großteil ihres Publikums.
Illustration: Die Straße von Ernst Ludwig Kirschner (1913)